K   a   r   l     G   r   o   m   s   k   i
 

Karl Gromski wohnt in der WG fünfter Stock, Zürich 4. Er ist ein verschlossener Typ, und auch wer ihn lange kennt ist sich nie sicher was er gerade denkt. Man könnte Karl einen hochsensiblen Menschen nennen, der ob all der schönen Sinneseindrücke dieser Welt, gar nicht weiss was er will in seinem Leben. Er plaudert nicht ungerne, nur gibt es andere die das besser können. Er mag Max Frisch, genauer noch, STILLER von Max Frisch.

Seine Mitbewohner nehmen ihn kaum war, aber wenn schon sein Name an Türklingel und Briefkasten steht, wenn er Miete zahlt und haufenweise Briefe von Verehrerinnen kriegt, dann muss schon was dran sein; er wohnt in Zürich 4, in besagter WG.

Karl trinkt gerne Bier und es kommt vor, dass Karl Gromski müde ist, deshalb verbringt er eine beträchtliche Zeit seines Lebens im Bett, oder, auf dem Bett; die Brille und der Haargummi, als letzter Kraftakt, achtlos neben sich auf den Boden geworfen.

Am Morgen dann, wenn die Wohnung verlassen ist, steht er auf, und in der Zeit bis Vesuvio für ihn den Kaffe kocht holt er die Zeitung und verteilt die WG-Post in den einzelnen Zimmern. Als kritischer Zeitgenosse fährt er natürlich kaum Lift. Vielleicht könnten wir ja in nächster Zeit mal ein Atomkraftwerk abstellen, vielleicht aber müssten da die anderen auch mitmachen, an ihm liegt es nicht.

Gromski, wie ihn lieblich seine Freunde nennen, ist ein Idealist. Als Zeitungsleser verfolgt er die In- und Ausländische Politik, in der Stadt fährt er nur Velo oder Tram. Aber wenn ihm dann mal was nicht in den Kragen passt, kommt ihm das kotzen. Zum Glück ist er ordentlich und putzt alles immer wieder schön auf. Wenn aber am Abend langsam die WG eintrudelt, Gromski auf dem Bett liegt und ein säuerlicher Geruch im Gang klebt, dann wissen seine Freunde, die NZZ hat wieder Bullshit gedruckt, die Initiative wurde abgelehnt, oder ein Auto hat auf dem Veloweg parkiert.

hmm.

  



I   m     N   o   r   d   e   n

Troz seinen eigenen Befürchtungen und derer seiner Freunde, hat sich Karl in den Norden abgesetzt. Um zu arbeiten. "Vielleicht", hat er sich dabei gedacht, "Vielleicht spielt es ja tatsächlich keine Rolle wo man gerade was-auch-immer macht, hauptsache man macht etwas." (Wenn man sich dabei selber noch süss täuschen kann, die Welt wäre nach dieser Arbeit ein wenig schöner, lieber oder menschlicher, dann kann man sich sogar abends zufrieden ins Bett sinken lassen, ohne die Lampe gefüllt zu haben). Leider hielt allerdings dieser vermeintliche Sinn des Lebens nicht lange an. Der Welt scheint es egal zu sein ob antropogene Gifte wieder verschwinden. Ein grosser Unterschied zum Erwerbslosenleben ist allerdings die Unfähigkeit sich anständig zu verlieben. Nicht der Wunsch nach Geborgenheit oder die Abwesenheit der Liebe zum anderen Geschlecht, sondern das Feuer gieng verloren. Aufgereibt in 40 und mehr Stunden pro Woche, oder es war die Temperatur, die neue Umgebung (Vergleichbar vielleicht mit den Tieren im Zoo die sich weigern Junge zu kriegen wenn ihnen was nicht passt). Schon nach wenigen Monaten Arbeit stand für Gromski klar, dass er so nicht ein ganzes Leben verbringen könnte, über acht Stunden im Tag sich den Frieden der Gedanken durch Arbeit mit zickigen Bakterien nehmen lassen, das kann es dann doch nicht gewesen sein. Und das im Norden, wo die Tage kürzer sind, die Winter nass und der Kaffe übel. Gromski hatte sich eigentlich immer vorgestellt irgendwo in der wärme eines Meeres zu wohnen, irgendwas zu arbeiten, und dann auch wieder nicht zu arbeiten, freude zu haben an Pflanzen, der Liebe und Wärme. Oder mindestens nicht dauernd fragen zu müssen ob jetzt das der Sinn des Lebens hätte sein können. So vielmal und so viele verschiedene Leute hat Gromski schon gefragt.